Status: | Beschluss |
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Beschluss durch: | Mitgliederversammlung |
Beschlossen am: | 07.03.2020 |
Antragshistorie: | Version 1 |
Bürger*innenbeteiligung und -service
Text
Die Demokratie ist nichts, was in sich ruht, was fertig ist, was bleiben kann,
wie es ist. In einer Demokratie wird Macht nicht konzentriert, sie wird geteilt
und allen Bürger*innen muss der gleiche Zugang zum politischen Geschehen
ermöglicht werden. Solange Gesellschaft nicht stehenbleibt, ist Demokratie nicht
fertig, darf sie nicht stehenbleiben.
Die Gesellschaft bewegt sich schon lange viel schneller als die demokratischen
Prozesse sich weiterentwickeln. Bürger*innen äußern immer wieder Unverständnis
für politische Entscheidungen und demokratische Prozesse, die ihnen vorgelagert
sind. Wir wollen der Demokratie neuen Schwung verleihen und neue demokratische
Traditionen begründen. Wo, wenn nicht in der Kommune, kann man damit am besten
anfangen?
Demokratie ist, was wir draus machen
Unsere Stadtgesellschaft braucht die Beteiligung möglichst aller Bürger*innen
aller Altersstufen für eine lebenswerte Stadt. Dazu müssen wir verschiedene
Formate einsetzen, um die unterschiedlichen Gruppen zu erreichen. Es sind auch
die Ziele unterschiedlich, von der Gestaltung von Plätzen und Quartieren bis zur
Wahl in die Interessenvertretungen wie der Beirat für Senioren*innen und dem
Jugendrat. Anlässe müssen kreativ und niedrigschwellig zur Beteiligung angeboten
werden und mit Expert*innen umgesetzt werden.
GRÜN wirkt
Wir haben eine neue Beteiligungskultur angestoßen. Sowohl bei
grundsätzlichen Themen wie dem Kulturentwicklungsplan als auch bei
einzelnen Projekten wie dem Lärmaktionsplan, den städtebaulichen
Wettbewerben oder der Neugestaltung des Konrad-Adenauer-Platzes gibt es
eine frühzeitige und intensive Beteiligung der Bürger*innen.
Aufsuchende Befragungen, die gleichzeitig zielgruppenorientiert umgesetzt
worden sind, wie der Bauwagen zu Straßenplanung, haben große Rückläufe und
viele Statements erbracht, die in die weitere Planung einfließen konnten.
Diese vielversprechenden Methoden wollen wir weiterentwickeln und
einsetzen.
Wir haben mit dem „Raumwerk D“ und mit dem „Mobilitätsplan D“ Bürger*innen
ermöglicht gemeinsam mit Expert*innen grundsätzlich über die
Stadtentwicklung und die Zukunftsvision für Düsseldorf zu diskutieren.
Auch der „Blau-Grüne Ring“ ist ein gutes Beispiel für den Dialog mit den
Bewohner*innen unserer Stadt. Diese kreativen Beteiligungsformen müssen
wir weiterentwickeln.
Agile Demokratie – jetzt!
Alles Politische beginnt mit der Frage nach dem, was ist. Nur so können
sinnvolle Debatten darüber stattfinden, was sein soll. Deshalb haben wir uns im
Rat dafür eingesetzt, dass die Verwaltung alle nicht-personenbezogenen Daten,
die sie erhebt, veröffentlicht – open data by default. So eine Umstellung geht
nicht von heute auf morgen, doch schon jetzt können Bürger*innen auf
Pendler*innenzahlen zugreifen, im Haushalt sehen, welches Geld wo ausgegeben
werden soll und die Bevölkerungsstatistik der Stadt einsehen. Das hilft
Zivilgesellschaft, Presse und Wissenschaft: wichtige Säulen der Demokratie.
Um Bürger*innen mit ihren Anliegen ernster zu nehmen und Demokratie neu zu
beleben, braucht es aber viel mehr als das.
Jugendrat, Seniorenrat, Jugendamtselternbeirat, Beirat für Menschen mit
Behinderungen und Integrationsrat: hier engagieren sich Menschen
ehrenamtlich, investieren Zeit und Herzblut, um in ihren Themenbereichen
und darüber hinaus Düsseldorf lebenswerter zu machen und konkret Politik
mitzugestalten. Diese Gremien brauchen mehr Klarheit darüber, wohin ihre
Beratungen und Empfehlungen führen und welche Aktivitäten der Verwaltung
sie zukünftig mitgestalten können. Sie brauchen, wie jede ehrenamtliche
Struktur, ausreichende hauptamtliche Begleitung und Unterstützung.
Bürger*innen vernetzen sich spontan, um ihre politischen Anliegen zu
formulieren. Bisher müssen sie dafür auf Angebote von Onlineplattformen
zurückgreifen und hoffen, so über die Presse in das Aufmerksamkeitsfeld
der Politik zu gelangen. Wir fordern eine eigene städtische Online-
Plattform für Bürger*innenanliegen und Mechanismen, nach denen sich Rat
und Oberbürgermeister*in mit den dort geäußerten Anliegen befassen müssen
– ergänzend zu den landesrechtlich möglichen Wegen der verbindlichen
Bürgerbeteiligung
Landesrechtliche Möglichkeiten für verbindliche Bürgerentscheidungen
besser nutzen: Abstimmungen zu strittigen Fragen können eine Klarheit
schaffen, wie sie durch parlamentarische Entscheidungen nicht geschaffen
werden können. Das Landesrecht sieht Bürgerentscheide auch auf kommunaler
Ebene vor, doch die Stadtverwaltung muss noch besser aufgestellt sein,
wenn es um eine konstruktive Begleitung und Durchführung geht.
Düsseldorf ist divers und so muss Beteiligung sein. Alles, was für die
aktive Mitgestaltung der kommunalen Demokratie nötig ist, sollte
barrierefrei und mehrsprachig zur Verfügung gestellt werden. Beteiligung
muss durch niedrigschwellige und vielfältige Formate allen ermöglicht
werden, die in Düsseldorf leben und wirken.
Nicht jede Verwaltungstätigkeit oder politische Entscheidung ist sinnvoll
über verbindliche Beteiligung oder Gremienarbeit zu bearbeiten. Politik
und Verwaltung können trotzdem in ihren Entscheidungen und Tätigkeiten auf
die Wünsche und Meinungen der Bürger*innen eingehen, wenn sie die
Meinungen denn kennen! Manche Formen des direkten Feedbacks oder der
Meinungsumfragen sind kostengünstig, einfach zu handhaben und können einen
wichtigen Baustein für eine agile Demokratie darstellen. Dafür müssen sie
aber anders als jetzt in ein politisches Konzept eingebettet und
methodisch nachvollziehbar durchgeführt werden.
Das Gegenteil von gut ist gut gemeint: der Mängelmelder der Stadt muss
besser werden. Wir fordern ein transparentes, modernes Beschwerdesystem
bei dem Bürger*innen jederzeit online einsehen können, an welcher Stelle
ihre Beschwerde oder eine Mangelmeldung nun in der Verwaltung ist (zur
digitalen Verwaltung s. Kap. Digitalisierung).
Bürger*innen müssen außerdem die Möglichkeit haben, sich anonym über z. B.
rassistisches oder sexistisches Verhalten von Verwaltungsmitarbeiter*innen
zu beschweren. Nur so kann schädlichem Verhalten von Wenigen nachgegangen
werden – zum Schutz des Ansehens der ganzen Verwaltung.
Jedes große Unternehmen in Deutschland ist gesetzlich verpflichtet
Maßnahmen zu ergreifen, die Korruption, Vetternwirtschaft und Rechtsbruch
verhindern (compliance). Auch in der Verwaltung gibt es solche
Mechanismen. Doch die Compliance-Stelle für die Stadtverwaltung muss mit
ihrer Arbeit sichtbarer und ausgebaut werden. Wir setzen uns außerdem für
Whistleblower-Schutz ein.
Beteiligungskonzept – professionell und auf dauerhafte Weiterentwicklung
angelegt
Demokratie denkt sich nicht mal eben nebenbei neu. Die Ideen, mit denen wir
Beteiligung in Düsseldorf vom Kopf auf die Füße stellen wollen, sind nicht
gänzlich neu. Wer über den rheinischen Tellerrand hinausschaut sieht, dass
andere Kommunen weiter sind als wir. Von ihnen können wir lernen. Und das erste,
was wir von ihnen lernen können ist, dass das Ausbuchstabieren von
Beteiligungswegen, Feedback-Tools und Verwaltungsmechanismen nichts ist, was
sich im politischen Betrieb nebenbei erledigen lässt. Deswegen wollen wir eine*n
Beteiligungsbeauftragte*n mit einem Team an Mitarbeiter*innen, die ausführliche
Leitlinien für die agile Demokratie in Düsseldorf – gemeinsam mit externen
Expert*innen und in wissenschaftlicher Begleitung - entwickeln und umsetzen.
Ziel der Konzepte und der Arbeit muss dabei ein niedrigschwelliger, vielfältiger
Zugang sein:
Verfahren: Online- und Offline-Befragungen, Bauwagenaktionen und breit
angelegte Diskussionsforen und –tage, Beiräte und ad hoc zusammengestellte
Arbeitsgruppen, viele Formen sind denkbar und müssen ihren festen Platz in
der Planung, Vorbereitung und Umsetzung der politischen Beschlüsse haben.
Stadtteilkonferenzen als Standard: Neben den Aufforderungen zu Planungen
und Gestaltungen brauchen wir verlässliche Verfahren, um mit den
Bürger*innen im Gespräch zu bleiben. Stadtteilkonferenzen zu Themen vor
Ort, die gleichzeitig auch Raum bieten für spontane Fragestellungen haben
sich bewährt und müssen im gesamten Stadtgebiet in den Bezirksvertretungen
mindestens jährlich abgehalten werden.
Orte: Wir brauchen verlässliche Orte, wo die Meinungen der Bürger*innen
ungefragt eingegeben werden können. Internet, Beteiligungspavillon und
Straßenaktionen, auch hier ist Vielfalt gefordert. Unterstützt werden
müssen diese Maßnahmen durch verständliche Broschüren und Flyer, durch
professionelle Beauftragte und nachvollziehbare Dokumentationen und
Wirksamkeitsüberprüfungen.
Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs)
- 11 Nachhaltige Städte und Gemeinden
- 16 Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen